EIN GRUSS

Ein Gruß, der alle Knospen öffnen macht
Und der die Tauben weckt zu neuem Sange,
Sei jenem fernen Liebsten dargebracht,
Nach dem mit ganzer Seele ich verlange.
O glaube nicht, du heißgeliebter Mann,
Daß ich dich je vergessen kann.

HAFSA (an Abu Dscha'far in Malaga)

Mit dir!

Nimm mich mit, wohin dein Fuß
Auf des Lebens Pfaden gehet,
Denn da weht mir Heimathsgruß,
Wo dein süßer Athem wehet.

Nimm mich mit, wenn kühn dein Geist
Fliegt durch alle Himmelsräume
Und zur Erde, die verwaist
Bringt des Jenseits goldne Träume.

Nimm mich mit, wenn in's Gefecht,
Wo du heldenherrlich streitest,
Für der Menschheit heilig Recht,
Du, ein edler Ritter, schreitest.

Nimm mich mit, wenn still gebückt
Zu der tiefen Geisterquelle,
Deine Seele sich erquickt
Mit des Denkens Lebenswelle.

Nimm mich mit, es sei dein Theil
Wonne, Jammer, Leben, Sterben!
Nimm mich mit in's ew'ge Heil
Und in's ewige Verderben!

Betty Paoli (1814-1894)

Ich hab mich dir so ganz ergeben
und bin mit Leib und Seele dein,
du meines Lebens wahres Leben,
du meines Daseins tiefstes Sein!

Wie sich der Mond sein mild Gefunkel
vom goldnen Glanz der Sonne leiht,
so fällt in meiner Seele Dunkel
der Schimmer deiner Herrlichkeit!

Denn was dereinst mit süßem Beben
durch meines Busens Tiefen drang,
vermocht ich Worte nicht zu geben -
da sah ich dich, und sieh! - ich sang!

Was in geheimnisvoller Stille
in meines Herzens Garten sproß,
verborgen lag's in duft'ger Hülle,
bis es sich deinem Licht erschloß!

Clara Müller-Jahnke

Küsse

 

Wenn ich Dich küsse
sind es nicht nur Deine Lippen
nicht nur Deine Augen
Dein Nabel
nicht nur Dein Schoß
die ich küsse
ich küsse auch Deine Fragen
und Deine Wünsche
ich küsse Dein Nachdenken
Deine Zweifel
und Deinen Mut
Deine Liebe zu mir
und Deine Freiheit von mir
ich küsse Dich
wie Du bist
und wie Du sein wirst
morgen und später
und wenn meine Zeit
vorbei ist

 

Ditar Kalaja

Notwendigkeit
 
Wenn er mir schweigend liegt zu Füssen
Und jäh nach meinen Händen greift,
Und ach! mit sehnsuchtschweren Küssen
Mir meine kalten Finger streift,
 
Dann fühl ich langsam mich durchdrungen
Von jener wunderstarken Kraft,
Die mich in seinen Arm gezwungen
Und höchste Menschenwonne schafft.
 
Dann frag' ich nicht, ob Recht, ob Sünde -
So ist es und so muss es sein!
Und jubelnd, Liebster, ich dir künde:
Dein bin ich, dein und immer dein!

 

Thekla Lingen


Der Sehnsucht nach
 
Rastlos, ruhlos - der Sehnsucht nach,
wandle ich von Gemach zu Gemach.
 
In weichen Wolken wogendes Düften,
ein Vogelträumen verklingt in Lüften,
auf meinen Lippen deine Worte.
- In meiner Seele alles verdorrte,
das nicht in deinen Zungen spricht.
Das Leben ward mir zum Gedicht,
das nur in deiner Sprache redet,
ohne dein Sein im Sand verödet,
mit dir, vom Morgenschein gerötet,
um ewige Glut und Schönheit betet -
und nur verenden will in Bränden,
die du geschürt mit Dichterhänden.
 
... Ich wandle von Gemach zu Gemach,
rastlos, ruhlos - der Sehnsucht nach!

 

Hermione von Preuschen

... Wenn Du mich verlässt,

kann mein Herz nicht fliegen,

und sitzt wie ein nasser Vogel im Nest.

 

Sonst seh ich in alle Kammern hinein,

doch wenn Du mich verlässt,

steh ich an Türen von Stein.

 

Alles wird wertlos,

auch´s Gold in der Hand,

und die Sehnsucht führt mich

hinkend durchs Land.

 

Max Dauthendey

Manchmal möchte ich ein Engel sein, ich möchte dich stärken, wenn du schwach bist, dich tragen, wenn du dich auf unsicherem Boden bewegst, und hinter dir stehen, damit dir niemand in den Rücken fällt. Ich möchte dich trösten, behutsam und sacht, und aufmerksam sein auf jedes Wort deiner Klage.

 

Christa Spilling-Nöker

PALMENLIED

O du Süßgeliebter,
Dein Angesicht ist mein Palmengarten,
Deine Augen sind schimmernde Nile
Lässig um meinen Tanz.

In deinem Angesicht sind verzaubert
Alle die Bilder meines Blutes,
Alle die Nächte, die sich in mir gespiegelt haben.

Wenn deine Lippen sich öffnen,
Verraten sie meine Seligkeiten.

Immer dieses Pochen nach dir -
Und hatte schon geopfert meine Seele.

Du mußt mich inbrünstig küssen,
Süßerlei Herzspiel;
Wir wollen uns im Himmel verstecken.

O du Süßgeliebter.

Else Lasker-Schüler

Ach, deine Stimme fächelt so sanft, wie der Flügel des Vampirs
Kühl um den Schlummernden weht, dem er das Leben entsaugt.
Während mein gläubiges Herz der melodischen Wiege sich hingibt,
Die dein Atem bewegt, trinkst du die Seele mir aus.

Ricarda Huch

Mein Herz ist wie die dunkle Nacht,
Wenn alle Wipfel rauschen;
Da steigt der Mond in voller Pracht
Aus Wolken sacht -
Und sieh, der Wald verstummt in tiefem Lauschen.

Der Mond, der helle Mond bist du:
Aus deiner Liebesfülle
Wirf Einen, Einen Blick mir zu
Voll Himmelsruh -
Und sieh, dies ungestüme Herz wird stille.

Emanuel Geibel

Amors Pfeil

Amors Pfeil hat Widerspitzen,
wen er traf, der lass ihn sitzen
und erduld ein wenig Schmerz!
Wer geprüften Rat verachte
und ihn auszureißen trachtet,
der zerfleischet ganz sein Herz.


G.A. Bürger

Ich liebe dich, du Seele, die da irrt
im Tal des Lebens nach dem rechten Glücke,
ich liebe dich, die manch ein Wahn verwirrt,
der manch ein Traum zerbrach in Staub und Stücke.

Ich liebe deine armen wunden Schwingen,
die ungestoßen in mir möchten wohnen;
ich möchte dich mit Güte ganz durchdringen,
ich möchte dich in allen Tiefen schonen.

Christian Morgenstern

Erfüllung

Dann losch das Licht,
und durch die Stille,
fiebernd, verlangend, erwartungsbang,
nur noch:
unser zitternder Herzschlag!

Trunken ... stammelnd,
meine Lippen ... süß dein ... Aufschrei!

Seligkeit!

Im Garten, frühauf, pfiff ein Vogel, von tausend Gräsern troff der Tau,
der ganze Himmel ... stand in Rosen.

Lieber! ... Liebe!
Und wieder: Kuß ... auf ... Kuß!

Und nichts als ... wir, nichts ... als wir!

Was kann die Welt,
an Glück, an Glanz, an Rausch an Wonne, an Taumel,
Erdenlust ... und ... Herrlichkeit,
uns ... jetzt noch ... schenken ... uns jetzt ... noch
bieten ... uns jetzt noch ... bringen?!


Arno Holz

Sehnsucht nach dem Geliebten

 

Liebster, mein Geliebter, dich suche ich,
meine Seele dürstet nach dir.
Nach dir schmachtet mein Leib
wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
Darum halte ich Ausschau nach dir
um deine Schönheit und Herrlichkeit zu sehen
Denn deine Huld ist besser als das Leben;
darum preisen dich meine Lippen.
Ich will dich rühmen mein Leben lang,
Dir meine Hände ausstrecken.
Wie am festlichen Essen wird satt meine Seele,
mit jubelnden Lippen soll mein Mund dich preisen.
Ich denke an dich auf nächtlichem Lager,
und sinne über dich nach, wenn ich wache.
Ja, du wurdest meine Hilfe; jubeln kann ich
im Schatten deiner Flügel.
Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand
hält mich fest ...


Nach Psalm 63

 

In Deinen Armen liegen und wissen,

nicht bleiben zu können.

In Deinen Augen versinken und wissen,

wieder auftauchen zu müssen.

In Deiner Nähe ertrinken und wissen,

doch nicht daran zu sterben.

Sich Dir öffnen können und wissen,

nicht ausgeraubt zu werden.

- Das mag wohl Liebe sein.

Ein Kuss von Dir

ist wie ein Gedicht

geschrieben mit der Feder

der Sehnsucht,

auf dem Blatt meines Herzens.

Alina Stoica


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